Autorenporträt
Johann Peter Hebel wurde am 10.05.1760 in Basel geboren. Sein Vater starb noch in seiner Kindheit, die Mutter in seiner Jugend. Seine Jugend verbrachte Hebel sowohl im städtischen Basel als auch im ländlichen in Hausen im Wiesenthal, dem Heimatdorf seiner Mutter. Durch Förderer konnte er das Gymnasium besuchen. Hebel studierte ab 1778 in Erlangen Theologie und arbeitete später als Lehrer und evangelischer Geistlicher. Sein Glück sah er als einfacher Landpfarrer. Er war aber zu Höherem berufen: Er wurde 1791 in Karlsruhe Gymnasiallehrer, 1792 Hofdiakon und 1798 außerordentlicher Professor. Ab 1799 schrieb er nach einem Besuch in seiner Heimat im Wiesenthal die Alemannischen Gedichte in Wiesentäler Dialekt. Ab 1803 verfasste er seine Kalendergeschichten, die in verschiedenen Werken veröffentlicht wurden. 1808 wurde er Rektor des Karlsruher Gymnasiums. 1819 wurde er Prälat der lutherischen Landeskirche und Mitglied in der Badischen Städteversammlung. 1826 verstarb er auf einer Dienstreise in Schwetzingen.
Impuls
Der berühmte Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) zitiert gerne obige Zeilen von Johann Peter Hebel (1760-1826), um Heimat zu beschreiben. Heidegger sieht den Menschen der Neuzeit als entwurzelten Heimatlosen und meint, dass Großes und Wesentliches nur auf Basis guter Verwurzelung entstehen kann. Die Verse Hebels verdeutlichen die Wichtigkeit der Wurzeln und der Bodenständigkeit, zeigen aber auch, dass wir die Anstrengung auf uns nehmen sollen, aus der Erde (dem Physischen) bis in den Äther (dem Metaphysischen) emporzusteigen, um dort blühen und Früchte tragen zu können. Heidegger sah den entwurzelten, „neuzeitlichen“ Menschen mit seiner „planetarisch bestimmten Technik“[1] sehr kritisch, hielt eine Umkehr aber noch für möglich und war damit einer der Vordenker der Ökologie.[2] Um die ökologische Krise zu meistern, benötigt die Menschheit sowohl tiefe Verwurzelung als auch einen Aufstieg, um nachhaltig Früchte tragen zu können.
Fragen
Wo ist meine Heimat?
Was ist Heimat für mich?
Was ist für mich die schönste Erinnerung an meine Heimat?
Was bedeutet für mich Land?
Was bedeutet für mich Stadt?
Spreche ich einen Dialekt wie Hebel?
Pflege ich diesen Dialekt?
Worin bin ich verwurzelt?
Nehme ich die Anstrengung auf mich, über das sinnlich Erfahrbare hinauszugehen?
Wie kann ich blühen und Früchte tragen?
Vertiefung
Johann Peter Hebel trat als Lehrer, Geistlicher, Politiker und auch als Literat hervor. Als seine beiden Hauptwerke gelten die Alemannischen Gedichte für Freunde ländlicher Natur und Sitten[3], die 1803 erschienen sind und seine Kalendergeschichten von 1808. Hebels Werk wurde von Literaten wie Johann Wolfgang von Goethe, Gottfried Keller, Leo Tolstoi und Hermann Hesse hochgeschätzt. In seinen Kalendergeschichten findet sich auch die Geschichte des Tuttlingers Handwerksburschen Kannitverstan. Dieser gelangt fern der Heimat in Amsterdam durch Irrtum zur Wahrheit und letztlich zur Erkenntnis der Vergänglichkeit alles Irdischen: „Armer Kannitverstan“, rief er aus, „was hast du nun von allem deinem Reichtum? Was ich einst von meiner Armut auch bekomme: ein Totenkleid und ein Leintuch, und von allen deinen schönen Blumen vielleicht einen Rosmarin auf die kalte Brust, oder eine Raute.“[4] Die Figur des Kannitverstan, dargestellt als Bronzeplastik des Bildhauers Roland Martin, ist heute die höchste Auszeichnung der Stadt Tuttlingen.
[1] Rudolf Augsteln / Georg Wolff, ,,Nur noch ein Gott kann uns retten. SPIEGEL-Gespräch mit Martin Heidegger am 23. September 1966″, in: Der Spiegel 30. (1976), 193-219.
[2] Hanspeter Padrutt, Heideggers Denken und die Ökologie, in: Heidegger Studies (1990), 43–66.
[3] Johann P. Hebel, Alemannische Gedichte (Universal-Bibliothek Nr. 8294), Stuttgart 1977.
[4] Johann P. Hebel, Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes (Universal-Bibliothek Nr. 142), Stuttgart 1981, 154.