Autorenporträt
Platon wurde 428/427 vor Christus in Griechenland geboren. Er stammte aus einer Aristokratenfamilie. Platon genoss eine gute und umfassende Erziehung in Bewegung, Dichtung, Malerei, Musik und Grammatik sowie eine Einführung in die Philosophie. Als 20-Jähriger begegnete er Sokrates, dessen Schüler er für zehn Jahre wurde. Sokrates sah sich als „Hebamme“, der durch geschickte Gesprächsführung die Wahrheit aus seinen Gesprächspartnern „herausholte“. Die Hinrichtung des Sokrates im Jahre 399 erschütterte Platon. Er verließ Athen und unternahm einige Bildungsreisen. 387 kehrte er nach Athen zurück und gründete seine Akademie, in welcher er zwei Jahrzehnte lebte und lehrte. Er unternahm Reisen nach Sizilien und es gab wohl auch ernsthafte Bemühungen seine Vorstellung vom idealen Staat in die Realität umzusetzen, was jedoch nicht gelang. Er starb 348/347 und wurde auf dem Gelände seiner Akademie bestattet. Platon war zeitlebens unverheiratet und kinderlos, hinterließ aber ein umfassendes philosophisches Werk. Dies ist in Dialogform gestaltet und lädt den Leser zum aktiven Mitdenken ein. Platon gilt auch heute noch als einer der bedeutendsten Philosophen der Philosophiegeschichte. Der englische Philosoph und Mathematiker Alfred North Whitehead (1861-1947) bezeichnete die europäische Philosophiegeschichte als „Fußnoten zu Platon“.[1] Eine gute Einführung bietet das Bändchen meines Lehrers Michael Bordt.[2]
Impuls
Wie die Teile und das Ganze zusammenhängen, ist ein viel diskutiertes philosophisches Thema. Platon rät dazu, die Welt als Ganzheit zu verstehen und beschreibt im obigen Zitat eine Lösung zur Integration eines Teils in das Ganze über seine Ideenlehre. Unsere westliche Welt, unsere Sprache und unser Denken sind stark von der Vorstellung des Individuums, das abgetrennt von Anderen existiert, geprägt. Im 20. Jahrhundert wurden mit den Methoden des Unterscheidens, Aufspaltens, Trennens und der hohen Spezialisierung gerade in den Naturwissenschaften viele Fortschritte erreicht. Es gibt aber auch negative Folgen der Aufspaltung: Soziale Spaltungen und eine globale ökologische Krise. Aber zum Prinzip der Spaltung gibt es auch das gegenläufige integrative Prinzip der Ganzheit. Systemisches Denken, Ökologie und ganzheitliche Ansätze verdeutlichen einen Richtungswechsel hin zu mehr Ganzheit. Sogar Papst Franziskus (1936) sieht eine „ganzheitliche Ökologie“ in seiner Enzyklika LAUDATO SI’[3] als Basis zum Meistern der gegenwärtigen globalen, sozialen und ökologischen Herausforderungen.
Fragen
Sehe ich das Universum lediglich als Ansammlung materieller Objekte?
Sehe ich Teile oder auch das Ganze?
Sehe ich die Verbundenheit allen Seins?
Denke ich unterscheidend oder ganzheitlich?
Sehe ich die Welt als Maschine oder als komplexes System?
Handle ich trennend oder integrierend?
Wie lebe ich meine eigene Ganzheit?
Vertiefung
Als kleine Übung des ganzheitlichen Denkens könnte es hilfreich sein, sich bei einem Produkt spielerisch in Gedanken die ganze Produktionskette vorzustellen:
Nehmen wir etwa eine Kartoffel vor uns auf einem Teller: Vom Teller hin in den Kühlschrank, in den Supermarkt, zum Großhändler, zum Bauern auf dem Acker, von der Ernte bis zum Pflanzen in die Erde, zum Vorziehen der Pflanzen, zum Saatgut.
In einem zweiten Schritt könnte man sich ethische, politische, ästhetische, ökonomische und juristische Rahmenbedingung vorstellen, die im Hinblick auf die Kartoffel auf meinem Teller im Spiel waren.
Was passiert nun, wenn sich ein kleiner Aspekt ändert? Insbesondere der Verzicht auf Kunstdünger aufgrund einer Umstellung auf biologische Landwirtschaft?
Welche Auswirkungen hat das auf Böden, Lebewesen, Trinkwasser, Gesundheit oder soziale Gerechtigkeit zukünftiger Generationen?
Auch wenn ich im Moment noch keine befriedigende Antwort auf die Frage: „Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?“[4] habe, wird diese Frage unter Mathematikern diskutiert. In jedem Fall ist alles mit allem verbunden und auch kleine Veränderungen können Großes bewirken.
[1] Alfred N. Whitehead, PROCESS AND REALITY. AN ESSAY IN COSMOLOGY, New York 1978.
[2] Michael Bordt, Platon, Freiburg 1999.
[3] Papst Franziskus, LAUDATO SI’. ÜBER DIE SORGE FÜR DAS GEMEINSAME HAUS (Enzyklika) 2015.
[4] Edward N. Lorenz, The Essence of Chaos (The Jessie and John Danz lectures), Seattle, Wash. 11995.